Hier der Mitas 07. (Foto: Franco Restelli)

Reifenkunde für Travelbikes

Der ideale Reifen fürs Adventurebike – eine oftmals hitzige Diskussion! Eines ist gewiss: Die perfekte Wahl variiert von Person zu Person.

«Welche Reifen hast du auf deinem Adventurebike montiert?» Ist diese Frage erst einmal gestellt, fühlt sich der weitere Gesprächsverlauft an wie ein Sprint über ein Minenfeld. Denn egal, wie neutral und unparteiisch die Antwort sein mag - es wird ziemlich sicher eine grosse Debatte daraus entstehen! Kaum eine Frage löst mehr hitzige Diskussionen und Uneinigkeit aus unter Adventure-Fahrer*innen. Denn die Wahl der richtigen Reifen ist stark subjektiv geprägt. Wir bringen Licht in diese Diskussion.

Individueller Wohlfühlfaktor

Abseits der ganzen Subjektivität versuche ich, in diesem Artikel alle notwendigen Informationen klar strukturiert wiederzugeben. So könnt ihr anschliessend eine persönliche, individuelle Wahl ohne grosses Bedenken treffen – ganz nach eurem eigenen Belieben. Ich werde in diesem Artikel bewusst keine persönliche Meinung einfliessen lassen, da mein Empfinden sowie meine Erfahrungen keineswegs mit der eines anderen übereinstimmen muss. 

Auf der Ducati hatte Frankee den Pirelli Scorpion srt montiert.(Foto: Franco Restelli)

Auf der Ducati hatte Frankee den Pirelli Scorpion srt montiert.(Foto: Franco Restelli)

Augen auf beim Reifenkauf

Um den Rahmen nicht zu sprengen, fokussiere ich mich auf die aktuell bekanntesten und renommiertesten Reifenhersteller im Bereich Travel: Pirelli, Heidenau, Metzeler, Mitas, MotoZ, Dunlop, Michelin, Bridgestone und Continental. 

Lasst uns etwas tiefer in die Materie eintauchen. 

Bei der Reifenwahl gibt es verschiedene Details zu beachten, welche in den folgenden Kategorien kurz angesprochen werden. 

Die wichtigsten Eigenschaften im Überblick

  • Tube oder Tubeless
  • Laufleistung
  • On- und Offroad-Verhältnis 

Die oben genannten Stichworte sind auf Fakten basiert und können zum grössten Teil ohne subjektiven Einfluss beim jeweiligen Hersteller angefragt resp. recherchiert werden. Dies bildet eine gute Grundlage, um sich bestimmte Reifen mit ähnlichen Eigenschaften auszusuchen und so die Auswahlmöglichkeiten eines neuen Travel-Reifens auf einen überschaubaren Rahmen zu reduzieren. 

Der Dunlop Mission. (Foto Turasil)

Der Dunlop Mission. (Foto Turasil)

Der Bridgestone ax41. (Foto: Franco Restelli)

Der Bridgestone ax41. (Foto: Franco Restelli)

Tube oder Tubeless

Viele Motorradhersteller in der Adventurebranche wechseln derzeit auf Räder um, welche konzipiert sind, um mit schlauchlosen Reifen fahren zu können. Viele Reifenhersteller auf der anderen Seite, bieten bestimmte Pneus nur noch als «tubeless» Variante an, also zur Benutzung ohne Schlauch. Dies kann zu Verwirrung führen, wenn man ein Motorrad mit Schlauch im Reifen fährt, und dann den gewünschten Reifen nur als «tubeless» findet. In der Regel ist es aber so, dass die neuen «tubeless» Reifen von verschiedensten Anbietern trotzdem mit einem Schlauch benutzt werden können (im Zweifelsfall kann der Hersteller oder euer Fachhandel des Vertrauens Aufschluss geben). Nur umgekehrt funktioniert dies nicht, also dass man einen «tube» gekennzeichneten Reifen ohne Schlauch verwendet. Dies ist eine wichtige Information, um alle möglichen Alternativen auch bei Schlauch-Rädern in Betracht ziehen zu können.

Laufleistung

Natürlich spielt die Laufleistung eine ausserordentlich wichtige Rolle bei Reisen und Adventures mit dem Motorrad. In vielen Diskussionen hört man, dass die Reifen jedoch meist nicht die vom Hersteller angegebene Reichweite bringen, und man schon vorzeitig einen neuen Reifen montieren muss. Wie stark sich der Reifen abnutzt, hängt von sehr vielen und individuellen Kriterien ab.

Besonders spielt der Einsatzbereich des Reifens eine grosse Rolle. Wie stark wird beschleunigt? Wie sehr wird der Reifen im Gelände, besonders auf spitzigen Steinen, durchgespult? Wie viel Last wird auf dem Motorrad transportiert? Fährt man nur Nebenstrassen oder konstant mit 120 km/h auf der Autobahn? Reist man viel im Regen, beziehungsweise kälteren Temperaturen oder auf feuerheissem Asphalt? Kann ich den Reifen komplett flach fahren oder benötige ich allzeit besten Grip?

Hier sehen wir den Metzeler Karoo 3. (Foto:Franco Restelli)

Hier sehen wir den Metzeler Karoo 3. (Foto:Franco Restelli)

Besonders der Einsatzbereich des Reifens spielt eine grosse Rolle.

– Franco

Wenn man sich diese Fragen durchliest, versteht man schnell, warum derselbe Reifen bei einer Person 10'000 Kilometer halten kann, während eine andere bereits bei 5'000 Kilometer einen Reifenwechsel durchführt. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass Reifen mit Stollenprofil (wie beispielsweise der Continental TKC 80) schneller zuneige gehen, und umgekehrt Reifen mit einem Mittelsteg am Hinterrad (wie der Heidenau K60 Scout) eine exzellente Laufdauer aufweisen.

On- und Offroad-Verhältnis  

Dies ist wohl eines der wichtigsten Merkmale bei der Wahl idealen Travel-Reifens. Denn zuerst muss man sich überlegen, wie das persönliche Adventure überhaupt aussehen soll. Wird vor allem Strasse befahren, oder lediglich die Autobahn bis zur ersten fahrbaren Schotterstrasse runtergespult, um das Abenteuer ausschliesslich Offroad zu erleben? 

Die Terrain Verhältnisse werden bei jedem Travel Reifen mit dem Divisonsstrich gekennzeichnet, wobei die Zahl vor dem Divisionsstrich für den Anteil Strasse steht, und die Zahl nach dem Strich der Anteil Offroad. Diese Angaben sind aber mit Vorsicht zu geniessen, da Reifenhersteller diese Angaben mehr oder weniger frei bestimmen können. Bei meiner Analyse habe ich mich deshalb auf die Werte von «Wolfs Bike on Tour» gestützt, da jener alle hier vorkommenden Reifen getestet hat, und so sinnvolle Vergleichswerte bilden konnte (zur Quelle). 

Wenn man sich beispielsweise einen 70/30 Reifen zulegt, ist die Idee der Hersteller, dass mit diesem Reifen ca. 70% auf der Strasse und 30% Offroad gefahren wird. Natürlich kann man auch mit einem 100% Strassenreifen Offroad fahren, doch generell gilt: Je mehr Offroad-Prozent der Reifen aufweist, desto angenehmer ist er im Gelände zu fahren und weist entsprechend auch mehr Traktion auf. Ein 30/70 Reifen würde somit stollenartig aussehen, da die Offroad-Eigenschaften stärker gewichtet und ausgeprägter sind.

Da wir hier über den Travel Bereich reden, muss ein Reifen verschiedensten Anforderungen gerecht werden: Eine angenehme Fahrt soll auch auf längere Distanzen gewährleistet sein durch vertretbare Vibration sowie verhältnismässig minimierte Fahrgeräusche. Gleichzeitig dürfen Abstecher ins Gelände auf keinen Fall fehlen. Für solch vielfältige Ansprüche empfehle ich allen Travel-Interessierten, einen Reifen zwischen 80/20 und 50/50 aufzuziehen. Natürlich nur, falls oben genannte Kriterien auf deine Vorstellung einer Reise mit dem Motorrad zutreffen. In der 80/20 Kategorie (also für Fahrten auf überwiegend befestigten Strassen) empfehlen sich Reifen wie der Michelin Anakee Adventure oder der Dunlop Trailmax Mixtour.

Travel-Interessierten empfehle ich einen Reifen zwischen 80/20 und 50/50.

– Franco

Hier sehen wir den Pirelli Scorpion srt.(Foto: Franco Restelli)

Hier sehen wir den Pirelli Scorpion srt.(Foto: Franco Restelli)

Mehr in Richtung Offroad - in der 70/30 Kategorie - findet sich zum einen der Metzeler Karoo Street, welcher standardmässig auf der Honda Africa Twin 1100 angebracht ist, oder der Pirelli Scorpion Rally SRT, standardmässig zu finden unter anderem auf der Husqvarna Norden 901, der Ducati Scrambler Desert Sled. 

In der 60/40 Kategorie erfreuen sich zwei Reifen besonderer Beliebtheit: Der Heidenau K60 Scout und der Mitas E 07. Beide sind auf schier unendlichen Travel-Fotos um den ganzen Globus immer wieder zu sehen. In Sachen Laufleistung sind beide Modelle vergleichsmässig Spitzenreiter, besonders wenn man die Eigenschaften genauer betrachtet. Ein weiterer Kandidat in dieser Kategorie ist der Dunlop Trailmax Mission, welcher für Reiseenduros sehr interessant sein könnte. In den meisten Offroadsituationen kommen jene ohne Probleme zurecht, während sie sich auf der Strasse ohne viel Lärm und Vibration in die Kurve beissen.

Zu guter Letzt finden sich noch etliche Klassiker, aber auch vielversprechende Newcomer-Reifen in der 50/50 Kategorie wieder. Wer gerne Bewährtes fährt, könnte am Continental TKC 80 Gefallen finden, welcher bereits seit 30 Jahren auf dem Markt ist. Das Gegenstück stellt der seit diesem Jahr neu erhältliche K60 Ranger von Heidenau dar, welcher in jeder Hinsicht mindestens genau so interessant wirkt. Zwischen alt und jung gibt es aber auch noch weitere Alternativen im 50/50 Bereich, wie zum Beispiel der AX41 von Bridgestone oder der von vielen gelobte Michelin Anakee Wild. Zu guter Letzt darf hier auch der Metzeler Karoo 3 nicht in der Auflistung fehlen, da jener zumindest standardmässig auf der KTM Adventure 850 R verbaut ist. Wer gerne einen exotischeren Reifen ausprobieren möchte, der sollte mal bei MotoZ vorbeischauen. Die Firma mit Sitz in Australien stellt Reifen her, welche hierzulande noch nicht wirklich verbreitet sind, jedoch hervorragende Leistungen On- sowie Offroad versprechen, besonders in Verbindung mit längeren Reisen. 

Ganz nach deinem Geschmack 

Die Wahl eines Reifens ist schwierig, und eine Recherche über Foren und Facebookgruppen ist aufgrund der vielen verschiedenen Meinungen oft nicht aufschlussreich. Ich fasse die wichtigsten Kriterien nochmals zusammen. 

Mögliche Auswahlkriterien

  • Wie oft fahre ich mit meinem Motorrad Off- bzw. Onroad? 
  • Wie weit soll mich der Reifen tragen / kann ich mir einen Reifenwechsel mitten in einer Reise leisten?
  • Wie viel Budget habe ich zur Verfügung?
  • Habe ich Räder, welche tubeless funktionieren oder brauche ich einen Schlauch?
Hier der Mitas 07. (Foto: Franco Restelli)

Hier der Mitas 07. (Foto: Franco Restelli)

Abschliessend Frankee’s Tipp: Trefft eine engere Auswahl passender Reifen anhand der hier geschriebenen Kriterien und wählt anschliessend rein intuitiv das Modell, das euch das beste Gefühl vermittelt. Eine falsche Auswahl gibt es hier wohl kaum zu treffen

Viel Spass beim Wählen eures nächsten Reifens, und natürlich für das nächste Abenteuer auf eurem Bike!

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