Motorradreise durch Costa Rica Teil 2

Nur mit Karte, einer alten Analogkamera und jeder Menge Entdeckermut bewaffnet, hat Leonardo sich letzten Sommer ins Abenteuer gestürzt: Costa Rica mit dem Bike zu bereisen, wie man es vor 40 Jahren getan hätte. Einfach und abseits der Touristenströme. Erfahre nun im 2. Teil wie die Reise weiterging!

Wie ihr bereits im ersten Teil erfahren habt, ist Leonardo trotz überfluteten Strassen und Schlamm in Fortuna angekommen. Erfahrt nun im 2. Teil wie die Reise weiterging!

Die Tage in Fortuna vergingen mit Baden in kalten und vom Vulkanwasser natürlicherweise heissen Flüssen und mit warten, bis die Unwetter sich auch in der Karibik legten. Als das der Fall war, war ich froh dem Rummel und Bars in der kleinen Stadt zu entfliehen und machte mich in den Nordwesten des Landes auf. Der feuchtheisse Dschungel von Tortuguero wartete auf mich.

Vollgetankt und guten Mutes gings los auf die knapp 200 km. Nach ca. 15 km verfuhr ich mich zum ersten Mal und machte gute 30 km Umweg. Es sollte nicht das letzte Mal an diesem Tag bleiben. Die Provinz Limon an der karibischen See ist die ärmste des Landes und das merkt man auch, gerade wenn’s um Strassenbeschilderung geht.

Noch bevor ich auf die von Lastwagen und Schlaglöchern geprägte Panamericana kam, verfuhr ich mich viermal. Ich stand oft am Strassenrand fragte mich durch und nutze mehrmals die Karte. Auch im Sandwich der Lastwagen erging es mir nicht besser: heiss, in den Abgasen und die Lastwagen waren teils beängstigend baufällig.

Ich verpasste die Abfahrt von der Panamericana ins Hinterland und musste erneut einen U-Turn einlegen, um zurückzufahren. Nachdem ich die Stadt Guapiles (erneut mit Navigationsproblemen) hinter mir gelassen hatte, konnte ich Kurs auf La Pavona nehmen. Das Gebiet Barra de Colorado / Tortuguero an der Grenze zu Nicaragua ist extrem dünn besiedelt und besteht nur aus von Gewässern durchzogenem stockdickem Dschungel.

Vom Motorrad zum Boot

La Pavona ist der Punkt wo man sein Landfahrzeug zurücklassen und auf die langen dünnen Boote umsteigen muss, um in die Region vorzudringen. Ich rechnete damit, dass es sich um ein Dörfchen oder zumindest um eine Siedlung handelte. Als ich einmal am Strassenrand anhielt und fragte bekam ich wiedermal zur Antwort: «Sigue todo recto, solo otros diez minudos» also wieder einmal: «alles gerade aus, in zehn Minuten bist du da.» aus den 10 wurden 20 Minuten und daraus eine Stunde.

Auch die Tatsache, dass es immer weniger Anzeichen von Zivilisation gab stimmte mich nicht optimistischer. Also eigentlich gab es nur noch Bananenplantagen, Dschungel oder einsame Rinderherde. Die Strasse fand schliesslich ihr Ende. Und am Ende der Strasse stand kein Haus am See. Es gab vielmehr einen Parkplatz mit übellaunigen Mitarbeitern und ein Rancho (also ein Blechdach auf vier Stelzen) mit der Aufschrift La Pavona. Gut, ein Dorf war das nicht, aber gefunden hab ich’s. Immerhin.

Die Folgenden paar Tage waren der absolute Wahnsinn. Nachdem ich meine XT zurückgelassen habe und mit dem Boot knapp 1,5 Stunden ins Nichts gefahren bin. Kam ich in Tortuguero Village an, das auf Stelzen gebaut war. Mehr authentisches Amazonas Feeling geht ausserhalb des Amazonas wahrscheinlich nicht. Von Brüllaffen bis hin zu riesigen Meeresschildkröten, Krokodilen und Giftfröschen gabs alles zu sehen. Ein herrliches Fleckchen Erde!

Doch alles hat ein Ende. In der Hoffnung, dass meine XT noch da stand verliess ich um 6 Uhr morgens bei strömenden Regen Tortuguero Village und fand die Yamaha tatsächlich noch so vor, wie ich sie zurückgelassen hatte.  Die Fahrt nach Puerto Viejo in der Nähe zu Panama verlief ereignislos und immer gerade aus.

Heiss, Regen, dann feucht, dann Sonne und immer noch feucht und noch heisser. Unterwegs verabschiedete sich der Tacho und damit die auch der Kilometerzähler. Auf die Ereignisse in der Südkaribik inklusive sehr kurzer und schliesslich gescheiterter Panama-Reise (Danke Covid), ausgedehnten Festivitäten und kitschig schönen Stränden möchte ich hier nicht genauer eingehen. Hat ja nichts mit Töff fahren zu tun.

Der Monat war fast um!

Ich wollte nochmal ins Hochland, einen Vulkan erwandern. Die Reise zurück ins Herz des Landes begann wieder einmal regnerisch und zwar nochmal so richtig! Es regnete nur ein Mal. Dafür für geschlagene 5 Stunden. Die Schlaglöcher auf der Panamericana wurden zu kleinen Seen und ich spüre bei jedem schalten ein «Matsch» im linken Schuh. Ach, wären GoreTex Stiefel jetzt Geil! Aber: Back in the Day, Leonardo.  Vor 50 Jahren trugen Biker auch nur Caterpillars. Eigentlich wars ja Ok. Warm war es Trotzdem, zumindest bis ich nach Westen ins Gebirge abbog. Die Aussichten mit den Wolken und dem Nebel waren spektakulär. Ganz im Gegenteil die Temperatur. Bis auf 10 – 15 Grad sanken die Temperaturen auf den Pässen und ich fror mir meinen durchnässten Ar*** ab!

Reicht das Benzin?

Ich erreichte Turrialba, eine mittelgrosse Stadt die in einem Tal lag, am Nachmittag. Es erwartete mich eine heisse Dusche, denn ich habe mir das erste Mal seit beginn meiner Reise wieder mal ein eigenes Zimmer gegönnt. Als ich bezahlen wollte, gab der Kartenleser das Error. Als ich es nochmals versuchte wieder. Es dämmerte mir so langsam. Sche**e ich hatte vergessen meine MasterCard wieder aufzuladen. Erschwerend kam dazu: Es war Donnerstagabend. Das heisst, wenn ich jetzt lade, habe ich – weil die Banken ja nicht arbeiten übers Wochenende – frühestens Montagnachmittag wieder Geld. Wie sollte ich 3-4 Tage mit 15'000 Colones (ca. 20 Franken) überleben?!

Die XT lief schon ein Weilchen auf Reserve und zu Fredy in Orosi, wo ich am Montag mein Bike zurückgeben musste, waren es noch ca. 100 Km. Da war ich also. Kein Geld, allein in einer Stadt, in der die Häuser von Stacheldrahtzäunen umgeben waren. Klar denken: das Geld auf der Karte reichte für die Nacht und das Bare für einen Halben Tank und Essen aus dem Supermarkt. Aber weiter komme ich so nicht.

Nach einigem hirnen kam mir Fredy in den Sinn. Ich rief ihn an und schilderte ihm meine Situation. Er sagte nur: Tank den Töff und komm morgen mal vorbei, wir schauen dann schon. Maximal erleichtert legte ich mich schlafen. Am anderen Morgen ging ich um 6 los. Tanken und dann allez Hopp.

Entspannt cruiste ich über Pässe Richtung Orosi. Auf dem Weg sah ich einen Wegweiser, der Richtung «Volcan Irazù» zeigte. Ein 3500 Meter hoher Berg mit begehbarem Krater. Eigentlich inaktiv aber stets überwacht und das Beste: Mit dem Motorrad erreichbar, und zwar bis auf den Gipfel. Ich konnte nicht widerstehen, die Abenteuerlust, sie griff mich noch einmal.

Also: Anhalten, Karte raus, rechnen. Reicht der Most? Ja, er reicht. Gut also Los. Und es hat sich gelohnt. Die Aussichten waren herrlich, das Wetter gut, die Luft frisch. Ich passierte Kaffeeanbaugebiete und Grüne «Alpweiden» mit Schafen und Ziegen. Diese und andere vierbeinige Freunde fanden sich auch immer wieder mitten auf der Strasse, sodass manchmal gestoppt oder ausgewichen werden musste.

Nach einigen Formalitäten an der Parkschranke (der Staat schaut zu seinen Naturattraktionen) und etwas offroaden am letzten Stück erreichte ich schliesslich endlich den Gipfel und zwar mit dem Töff. Was für ein Gefühl! Nach etwas verschnaufen und einem Brotrest vom vergangenen Abend machte ich mich auf und fuhr die letzten 60 Kilometer nach Orosi. 

Zack, Fertig.

Nach über 1'600 Kilometern im Sattel war mein Töffabenteuer zu Ende. Ich traf Fredy zum Kaffee und er bot mir an, auf seinem Anwesen einige Instandhaltungsarbeiten zu machen. Dafür konnte ich die nächsten 4 Tage gratis in einem seiner Cabinas wohnen. Ich nahm an und die Sache war geritzt. In Orosi besuchte ich noch einen Kaffeebauer, der ohne Strom und fliessend Wasser in den Bergen um das Dorf wohnte. Tags darauf wurde ich von Fredy im alten Land Cruiser nach Alajuela zum Flughafen gefahren und schon war meine Zeit in Costa Rica vorbei. Ein letztes Mal Reis und Bohnen im Flugzeug und 14 Stunden später war ich auch schon wieder in der Schweiz. Einfach so.

Fazit

Was soll ich sagen. Es war ein riesiges Abenteuer. Am Anfang stand nur die Idee ohne technische Hilfsmittel mit einem möglichst alten, authentischen Motorrad, ein völlig neues Land auf einem völlig neuen Kontinent zu bereisen. Wie in den goldenen 70er und 80ern eben. Doch wie wars?

Als ich Ende Juni ins Flugzeug eingestiegen bin hatte ich nichts ausser diese Idee im Kopf. Keine Ahnung, ob das funktionieren würde. Mit viel Abenteuermut, der Bereitschaft sich an Veränderungen anzupassen und immer mit dem Spirit vergangener Zeiten im Gepäck bin ich los und muss es war eine tolle Entscheidung. Ich habe sie gespürt diese Freiheit, die Hitze die Kälte, die Sorge, aber auch die Freude die das Motorradreisen wie früher mit sich bringt.

Zum Schluss bin ich bestärkt worden. Wenn du Zeit hast, finde ich Motorradreisen ohne viel Schnickschnack das Beste. Die Reise hat mir gezeigt, dass in der Einfachheit und den Entbehrungen ein ganz besonderer Reiz liegt. Gut über die Kleidung lasse ich gerne mit mir debattieren. Ich bin kein Simplicity-Hardliner geworden.

Die Navigation per Karte und Durchfragen jedoch, auf die werde ich auch künftig – sofern ich Zeit habe, mich zu Verfahren – nicht mehr verzichten. Ich verstehe jeden, der das nicht möchte. Die Möglichkeiten sind da und man soll sie Nutzen, wenn man will. Aber ich hoffe doch trotzdem, dass ich einige Adventurebiker dazu inspiriert habe, das Gepäcksystem, die Heizgriffe, die Gegensprechanlage, Bluetooth und vor allem das Navi mal zu Hause zu lassen und die Freude an der Einfachheit zu finden.

An diejenigen, die noch nicht Adventurebiker sind kann ich nur sagen: Geht! Geht, es braucht keine teure GS oder Multistrada. Nehmt was zwei Räder und einen Tank hat und geht. Wird vielleicht nicht so komfortabel aber dafür umso flexibler einfacher und abenteuerlicher!

Ums zum Schluss wie die britische Rockband Uriah Heep 1972 zu sagen: it’s an easy livin’!

– Leonardo

Über Leonardo Siviglia

Freiheit, Abenteuer und eine gute Prise Rock’n’Roll! Das sind die Zutaten die Leonardos Leidenschaft fürs Motorradfahren ausmachen. Das Benzin im Blut und die Liebe zum motorisierten Zweirad hat er von seinem Vater geerbt und sie hat ihn bis heute nicht losgelassen. Egal ob als VR46-Tifoso an den Rennstrecken Europas, auf seiner alten Ducati in der Schweiz und im Umland oder mit einer Enduro irgendwo im Dschungel Mittelamerikas: stets mit Abenteuerlust im Gepäck liebt es Leonardo unkompliziert, simpel und ein bisschen old-school! Er kann es kaum erwarten euch von seinen Entdeckungen und Erlebnissen zu berichten.



Leonardo Siviglia mit seiner Ducati.

Leonardo Siviglia mit seiner Ducati.

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